Die Wohnanlage Die Arche in Linnich setzt auf ein besonderes Konzept: die sogenannte „Haus-Unordnung“. Statt fester Abläufe orientiert sich der Alltag hier an den individuellen Lebensrhythmen der Bewohner:innen. Ziel ist es, ein Zuhause zu schaffen, das Freiheit, Sicherheit und Geborgenheit zugleich vermittelt.
„Wir begleiten, wir kontrollieren nicht – und wir akzeptieren, dass ein Alltag auch mal bunt, schief und unordentlich sein darf“, erklärt Einrichtungsleiterin Birgit Kerski. „Egal in welches Heim man einzieht, man gibt viel von seiner Entscheidungsfreiheit, von seiner Würde ab. Da entscheidet üblicherweise das Personal, wann man geduscht wird. Bei uns muss man nicht gestriegelt um 8 Uhr am Frühstückstisch sitzen.“
Im Alltag bedeutet das, dass biografische Gewohnheiten berücksichtigt werden. Kerski erinnert sich an einen Bewohner: „Einer unserer Bewohner war früher Bergmann. Ihn morgens nach dem Aufstehen duschen zu wollen, war ein hoffnungsloses Unterfangen. Aber um 14 Uhr, wenn seine ,Schicht‘ beendet ist, geht er ohne viel Federlesen mit ins Bad. ,Der Dreck muss ab‘, sagt er dann.“
Auch beim Essen gilt Flexibilität: „Es gibt Bewohner, die sich lange vegetarisch oder vegan ernährt haben und nun beherzt in ihr Schnitzel beißen. In der Krankheit ist vieles anders.“ Angehörige müssten diesen Prozess oft erst verstehen und akzeptieren.
Besonders sichtbar wird das Konzept in der Gestaltung der Räume. „Die Schlafzimmer haben je eine blaue Wand, weil das angstlösend und schlaffördernd wirken soll, die Flure mit den Außentüren und Treppen haben ein ,hässliches Gelb‘, sodass sich die Bewohner dort nicht gern aufhalten“, erklärt Kerski.
Die Haltung, Freiheit mit Sicherheit zu verbinden, zeigt sich auch nachts. „Wenn nachts jemand einen Gartenspaziergang machen möchte, gibt die Türanlage ein Signal an die Mitarbeiter – nicht, um den Spaziergänger wieder reinzuholen, sondern um ihn bei Kälte oder Regen mit der entsprechenden Kleidung auszustatten. Hier ist nachts genauso viel los wie tags.“
Die Resonanz auf das Konzept ist groß, die Warteliste entsprechend lang. Kerski appelliert deshalb an Angehörige, frühzeitig Unterstützung zu suchen: „Viele pflegen ihre Partner oder Eltern zu Hause so lange, bis sie selbst an ihre körperlichen und seelischen Grenzen kommen. Ich wünsche mir da mehr Weitsicht und ein Auge auf die eigenen Ressourcen.“
Die Wohnanlage Die Arche zeigt so, dass ein Pflegeheim weit mehr sein kann als ein Ort der Betreuung. Es ist ein Zuhause, in dem Menschen mit Demenz ihre Persönlichkeit bewahren dürfen – auch wenn der Alltag bunt, lebendig und manchmal unordentlich ist.